Turnfest Blog

Die Musik, die einst die Fürsten das Fürchten lehrte.

„Alle im Dorf müssen musikalisch hochbegabt sein“, mutmaßt der Moderator. Das Sinfonische Blasorchester Wehdel ist nach einer 2000-Seelen- Gemeinde bei Cuxhaven benannt. Unter der Leitung von Thomas Ratzek mauserten sich die Musiker zu einem Orchester von herausragender Qualität. Es räumt regelmäßig bei Wettbewerben Preise und Auszeichnungen ab. Das zieht an. Mittlerweile nehmen viele auswärtige Musikerinnen und Musiker bereitwillig stundenlange Fahrtstrecken auf sich, um an den Proben teilzunehmen.

 Auf der Bühne im Audimax versammeln die ca. 60 Blechbläser und Perkussionisten zum Festkonzert des Deutschen Turnermusikfestes eine beeindruckende Bandbreite von Instrumenten: Querflöte, Bass-Klarinette, Trompete, Posaune, Tuba, Euphonium und Hörner. Überraschend auch die seltenen Schlaginstrumente: Glockenspiel, Xylophon, Donnerblech, Becken, seltene Schrap-Instrumente und natürlich Trommeln und Pauken. Ein solches Groß-Ensemble ist fähig, anspruchsvoller Literatur zu spielen. Wer Turnermusik nur mit Humptata in Verbindung bringt, ist auf dem Holzweg. Auf der Partitur, die gespielt wird, stehen die Noten sinfonietauglicher Sätze, entweder eigenständige Blasorchester-Kompositionen oder arrangierte Tonsetzungen des klassischen Repertoires. Beim Regensburger Festkonzert schwang sich das Wehdeler Orchester zusammen mit dem begeisterten Auditorium auf Tanzstücke ein, z.B. die ausdrucksstarken Bulgarian Dances von Franco Cesarini oder die Armenischen Tänze des bei Bläsern weithin bekannten Komponisten Alfred Reed. Auch eine Uraufführung stand auf dem Programm. Die Norwegian Pirates tauchten das erste Mal in einem Arrangement für Blechbläser auf. Doch sie verbreiteten keineswegs Furcht und Schrecken sondern Energie und Inspiration. 

Der Vorstand des Deutschen Turnverbandes, Dr. Alfons Hölzl, bedankte sich für den musikalischen Hochgenuss und beschwor in einer kurzen Laudatio die Einigkeit der Turnermusik mit den anderen Sparten des Turnsports. Hölzl verwies auf die gemeinsame historische Wurzel von Turnermusik und Turnen. Einst marschierten die Turnermusiker mit Schalmeien und Fanfaren den Turnern vorne weg, wenn sie zu ihren Übungen hinauszogen. Solche Fanfarenstöße hatte der Fanfarenzug SG Potsdam zu Beginn des Festkonzertes auf nach historischem Vorbild gefertigten Instrumenten zum Besten gegeben. Selbstbewusste Turner und Musiker ziehen durch Wald und Flur? Ein Umtrieb, der den tyrannisch gesinnten deutschen Fürsten gar nicht behagte. Denn sie sahen ihren absolutistischen Machtanspruch in Frage gestellt. Nicht umsonst spielte sich vor 175 Jahren in den deutschen Ländern eine Revolution ab. Doch Dr. Hölzl blickt auch in die Zukunft: Sowohl Turnen wie auch Musik bringe Menschen zusammen und das sei wichtiger denn je. Aus der Gemeinsamkeit von Musikern und Sportlern könne Großes entstehen. Der Vorsitzende wünschte sich, dass die Turnermusiker beim Deutschen Turnfest in Leipzig 2025 wieder ganz vorne mit dabei sind.